Atemporalität – Ein kultureller Tempomat?
Atemporalität – Ein kultureller Tempomat?
Keynote: Bruce Sterling (us) – Atemporality
Participants: Alexander Rose (uk), Siegfried Zielinski (de), Mike Sandbothe (de)
Moderator: José Luis de Vicente (es)
„Wären Sie gewillt, eine Reise mit mir zu unternehmen, Ulysse“, fragte er.
Die Struktur der Zukunft und mit ihr unser temporales Bewusstsein haben sich geändert. An die Stelle des Fortschritts tritt die andauernde Modulation aller Ereignisse. Die unterschiedlichen Dimensionen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fließen ineinander und bilden einen Zustand der Zeitlosigkeit, denn die mediale, logistische und operative Geschwindigkeit unserer Gesellschaft nimmt ständig zu und bewirkt einen Effekt der Gegenwartsschrumpfung. So erleben wir die Auflösung sinnstiftender Rahmungen: Politische Planungs- und Handlungsintervalle schrumpfen auf die Dauer von Wahlperioden, die postindustrielle Wirtschaft ist nicht länger durch Wachstum und Stabilität geprägt, sondern durch volatilen, unvorhersehbaren Wandel. Das 20. Jahrhundert war durchdrungen von einer quantitativen Vorstellung von Zeit. Wenn wir dieser quantitativen, logistischen und operativen Anwendung nicht eine qualitative, poetische Vorstellung von Zeit entgegensetzen, geht uns die Zukunft als kulturelle und soziale Ressource aus. Wir haben das 20. Jahrhundert verlassen, aber es scheint, als wären wir noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen.
Wenn Fortschritt mehr sein soll als das Re-Design bereits vorhandener Fahrzeugpaletten, benötigen wir eine ästhetische und mediale Analyse unserer Gegenwart. Ist unser kultureller Tempomat defekt?