Open Space: Joanna Render, Re_Thinking Net.Art

Open Space: Joanna Render, Re_Thinking Net.Art

Date: 
31.01.2009 14:00
Edition: 
2009
Format: 
Talk

Die Galeristin und Kulturwissenschafterin Joanna Render spricht über Chancen für Webbasierte Kunstwerke im Kunstmarkt, und präsentiert ihre Online-Kunstausstellung "Rethinking About"

Joanna Render: Re_Thinking Net.Art
 
Die Galeristin und Kulturwissenschafterin Joanna Render spricht über Chancen für Webbasierte Kunstwerke im Kunstmarkt, und präsentiert ihre Online-Kunstausstellung "Rethinking About"
 
Featured Online Artworks:

Florent di Bartolo – Red Mountains, redmountains.net
Heath Bunting – Skint-The Internet Beggar, skint-theinternetbeggar.com
Jose Carlos Casado – Equality, equality-jcc.org; Being, being-jcc.org; Black or White, blackorwhite-jcc.org
Nick Crowe – Love´s Revenge, lovesrevenge.org
Carol Flax – Two Mothers, twomothers.net
Harald Holba – Sew (Series), sew.ww, sew.gg, sew.yw, sew.pw, sew.bw, sew.dark
Lia – It Is Black, It Is White, itsblackitswhite.org
Liane Lang – Matter, Minder, Moaner (Trilogy), matter.la, minder.la, moaner.la
Thomson&Craighead – Flipped Clock, flippedclock.com
CJ Yeh - The Tale Trilogy: Pandora´s Tears, thetale.org, Prometheus´ Chain, thetale.info, Mortal´s Dilemma, thetale.tv.
Refined Black, refinedblack.com

 

Im 20. Jahrhundert hat sich unsere Gesellschaft von einer primär objektorientierten Gütergesellschaft in eine leistungsorientierte Faktorengesellschaft weiterentwickelt. Der Erwerb von freien, immateriellen Gütern, die mit Begriffen wie Bekanntheit, Wissen, Inspiration, Netzwerk, assoziative emotionale Erfahrung sowie positivem Image in Verbindung gebracht werden, wird nicht selten wesentlich höher bewertet, als der Besitz von materiellen Gütern für den individuellen Nutzen.

Obgleich sich diese Entwicklung selbstverständlich auch im Kunstmarkt niederschlägt, wird mit unstofflichen Werken selten gehandelt, bei denen die Abstraktionsleistung der Virtualisierung - analog zu den Veränderungen unserer Gesellschaft - bis zur letzten Konsequenz, also der absolut körperlosen Existenz, realisiert wurde.

 

Bereits seit Jahren beschäftige ich mich mit der Frage, wie man &allgemein zugängliche Online Art sowie Virtuelle Werke im traditions-orientierten Kunstmarkt gleichwertig mit stofflichen Kunstwerken anbieten kann. Dazu habe ich den Rat von zahlreichen Experten eingeholt, als Kunstwissenschafterin Forschungsreisen unternommen und als Galeristin international Erfahrungen gesammelt. So präsentierte meine Galerie erstmalig weltweit im Jahr 2005 Internetkunstwerke online bei einer der einflussreichsten Kunstmessen der Welt. Die Akzeptanz des Publikums war hoch, und die Nachfrage vielversprechend.

 

Auch die Resultate meiner Recherchen brachten aufschlussreiche Ergebnisse: juristisch betrachtet, ebenso wie auch in Bezug auf Chancen der Wertschöpfung, gibt es beim Erwerb von Kunstwerken keinen wesentlichen Unterschied zwischen stofflichen und virtuellen Werken. Folglich auch keinen Grund, einer Investition in konzeptionelle Kunst zu misstrauen.

 

Dieser Umstand zeigte sich bereits deutlich bei Video- oder Klangkunst. Hier wird zwar häufig noch versucht, über die Herstellung von Objekten, wie beispielsweise signierte Videotapes oder künstlerisch gestaltete DVDs, den Charakter einer Skulptur oder eines Bildes zu generieren. Der Verkauf von Daten-Inhalten wird jedoch durch die Erstellung von Lizenzscheinen und Verträgen, darunter auch Service- oder Wartungsverträge, gestützt.

 

Man akzeptierte diese Praxis im Kunstmarkt. Nun könnte man ebendiese Handhabung auf sämtliche weiteren virtuellen Werke wie Softwarekunst oder auch Code von Websites anwenden. Tatsächlich haben Künstler und Galerien bereits mit eher geringer Nachhaltigkeit Editionen von html-codes an Sammler in kleiner Auflage verkauft. Doch der  Handel mit Internetkunst ist eine historische Innovation, die man nicht mit dem Verkauf von Offline Artworks gleichsetzen kann.

 

Der große Unterschied zwischen Online Art und Offline Art besteht meiner Ansicht nach darin, dass Online Art gleichzeitig Public Art ist. Das Eigentum von Public Art ist insoferne eingeschränkt, als dass der Käufer zwar Besitz- und Verfügungsrecht, jedoch nicht das ausschließliche Nutzungsrecht am Werk erwirbt. Das nicht kommerzielle Nutzungsrecht wird mit der Öffentlichkeit geteilt.

Der Käufer stellt so der gesamten vernetzten Welt ein Kunstwerk zur Verfügung. Dieses Potential, das dem Käufer einen enormen Image-Gewinn einbringen kann, ist meiner Einschätzung nach heutzutage sowohl monetär als auch assoziativ emotional höher zu bewerten, als exklusives Nutzungsrecht an einem Objekt (einem Gemälde beispielsweise).

 

Auf den ersten Blick erscheint der Handel mit Online Kunstwerken historisch konsequent und einfach. Dennoch bedarf es zahlreicher Überlegungen und bestimmter Startbedingungen, um eine solche Theorie auch in die Praxis umzusetzen und Institutionen wie auch Privatpersonen dazu zu gewinnen, in Online Art zu investieren.

 

Diese Startbedingungen habe ich aufgrund meiner Forschungen definiert und gemeinsam mit Pionieren der Net Art getestet. Partnerschaften wurden geschlossen und Netzwerke gebildet. Zahlreiche Online Artworks, die sowohl kunsthistorisch bedeutend sind, als auch für den Kunstmarkt geeignet sein können, wurden in Kooperation mit den Autoren als Unikate für einen möglichen Verkauf vorbereitet.

 

Im Jahr 2006 entwickelte ich ein Konzept für eine Online Dauerausstellung. Sie trägt den Titel „Rethinking About“, und umfasst 180 Slots für Kunstwerke. Alle in diesem Kontext entstehenden Werke bleiben individuell, und werden sowohl international bekannt gemacht, als auch im Kunstmarkt angeboten. Es ist eine experimentelle Spielwiese für herausragende Künstler weltweit, und die bisherigen Resultate sind sehr überzeugend.

Die erste Werkserie, im Jahr 2007 fertig gestellt, stammt von Harald Holba, und trägt den Titel „Sew“. Sechs gleichberechtigte Websites interpretieren dabei ein- und denselben Sourcecode in unterschiedlichen Varianten. Neben den eigentlichen Online-Werken wurden verschiedenste Dokumentations-Materialien angefertigt, um sie als Installation darzustellen und zu besprechen.

 

Die Frage, wie Kooperationen mit Kunstinstitutionen möglich gemacht werden können, um Online Artworks gleichberechtigt zu anderen Medien in Ausstellungen zu präsentieren, wird im Kontext dieser Ausstellung ebenfalls in vielerlei Hinsicht beantwortet.

 

Im Rahmen der Präsentation im „Open Space“ werde ich das Konzept dieser Ausstellung vorstellen, zahlreiche damit assoziierte wie auch unabhängige Werke vorführen, und meine Überlegungen in Bezug auf den Verkauf von Online Artworks vertiefen.

Joanna Render, 2009

Related Websites:
Joanna Render Gallery  joannarender.com
Rethinking About  rethinkingabout.com

 

Joanna Render, 2009

Related Websites:

Joanna Render Gallery  joannarender.com

Rethinking About  rethinkingabout.com

 

 

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