Datenraum I
Datenraum I
Der erste Boom des World Wide Web ist vorüber. Zu Zeiten der großen Netzeu phorie erhofften sich viele vom Internet neue Freiheiten durch neue Kommuni kationsformen. Diese Hoffnung teilten sich zugleich junge Unternehmen und Kulturinitiativen. Insbesondere entstan den hybride Internetprojekte, die durch eine Mischstrategie Kunst und Kom merz zu verbinden suchten. In der Hoff nung auf Synergieeffekte versuchte man, die neue Präsenz in- und außer halb des Internets durch Dienstleistun gen zu finanzieren. Ein paar Webseiten später aber stellt sich nun die Frage, ob diese Strategien sich als tragfähig er wiesen haben, inwieweit die Ziele er reicht wurden und mit welchen Takti ken es weitergehen soll. Im Zentrum stehen die pragmatische Dimension von content im sozial-kulturellen Kon text einer „Ökonomie der Aufmerksam keit" sowie das Ideal der Schaffung von unabhängigen, „taktischen" Medi en. Seit das Internet ein offenes Medium geworden ist, in dem die klassischen Behörden und die Regierung nichts zu
sagen haben, hat es den Künstlern bis zum heutigen Tag zahlreiche neue Möglichkeiten eröffnet. Das hat sich sehr verändert, seit kommerzielle und öffentliche Aktivitäten die Oberhand über die ursprüngliche Intention von In ternet gewonnen haben. Dieser offene Charakter des Internet war es, der es den Künstlern ermöglicht hat, zu arbei ten und ihre Arbeiten uneingeschränkt zu präsentieren. Vor einigen Jahren noch entschieden sich wenige Künstler selbst dazu, ins Internet zu gehen. Gegenwärtig wer den die meisten Künstler im Internet von anderen bevormundet. Unser näch ster Schritt wird sein, das Internet nicht mehr für Präsentation zu nutzen oder uns bevormunden zu lassen, sondern ganz neue Kunstwerke zu schaffen. Es ist für Künstler nicht leicht, in diesem Bereich zusammenzuarbeiten.
Die Künstler haben die Domäne ihrer Kunst an Galerien, Museen und Büro kraten verloren. Hier nun bietet sich die ganz andere Möglichkeit der Nutzung des Internet, um neue unabhängige und selbstbestimmte zeitweilige Syste me zu schaffen, die wir für unsere eige nen Intentionen nutzen können, selbst wenn das keiner sehen will. Kunst, die im Internet überleben kann, hängt
nicht von einer Einzelmeinung ab, son dern muß weit verzweigte Verbindun gen entwickeln, um existieren zu können. Unzufrieden mit der traditionellen
Struktur und der angeblichen Autorität
der Publikationen im kulturellen Be
reich, versuchten sowohl die Verleger
von Printmedien als auch die Verleger
elektronischer Medien, die dynamischeren, stärker durchmischten und instabileren sozialen Mechanismen des Net zes mit einzubeziehen. Dieses vielge staltige, diffuse und kollaborative Ver lagswesen kann als der direkte Aus druck eines Wandels in den kritischen Paradigmen der Objektivität und als ein Weg zur Erprobung der Qualitäten an gesehen werden, die den jetzt entste henden neuen Medien innewohnen. Gleichzeitig müssen die anderen Ver triebskanäle immer einschneidendere Kürzungen hinnehmen. Der britische und internationale Zeitschriftenmarkt ist so aufgebaut, daß alternative oder unabhängige Titel innerhalb weniger Monate wenn nicht sogar Wochen vom Markt verdrängt werden. Die riesige Menge neuer Titel, die einer nach dem anderen auf den Markt kommen, brin gen meist nichts Neues und sind poli tisch konservativ. Die allgemeine Ein sicht sagt uns, daß nur das Netz den unabhängigen Verlegern Vielfalt, Ver bindungen und Zugang zu den Lesern bietet, die sie erreichen wollen. Doch man sollte schon fragen: Welche Leser? Wohin, warum und wie entwickeln sich Cyberspace und Papier auf ihren ge trennten Wegen?