Bear With Me: A Play for Two Webmasters
Bear With Me: A Play for Two Webmasters
Dies ist die Kurzfassung des Interviews, welches im Rahmen der vierten Ausgabe des transmediale Magazins erschienen ist. Das volle Interviews ist derzeit nur auf Englisch verfügbar.
FS: Wie kamt ihr dazu, zusammen an Bear With Me zu arbeiten?
OL: Bevor wir uns persönlich begegneten, waren wir 2005/06 in denselben Surfclubs, Nasty Nets und Spirit Surfers, „nebeneinander“ gemeinsam im Netz unterwegs und teilten miteinander, was wir dort fanden. Als mir klar wurde, dass ich Bear With Me auf die Bühne bringen wollte, schrieb ich es für Kev. Ich sollte aber dazu sagen, dass die von ihm gespielte Figur, Alan, nicht auf ihm basiert.
KB: Ich kannte Olias Texte und ihr Essay „A Vernacular Web“ hat einige meiner Arbeiten inspiriert. Wir blieben über die Jahre in Kontakt und dann erzählte sie mir von diesem Stück, das sie geschrieben hatte und das ich spielen sollte. Ich habe großen Respekt für ihre Arbeit und so sagte ich natürlich zu. Zudem bietet sich mir so die Gelegenheit, nach Berlin zu kommen, wo ich seit über 10 Jahren nicht mehr war.
Du wirst einige Veränderungen bemerken…
KB: Dieser Gedanke ist tatsächlich ein Thema des Stücks: das Gefühl, mit diesem Pioniergeist in ein Stadtviertel – beispielsweise in Berlin oder New York – zu ziehen, weil es sich wie eine Grenze anfühlt. Du bist 10 Jahre dort und plötzlich verändert sich alles und eine Verbitterung kommt auf, so ein Gefühl wie: „Aber ich war zuerst hier, diese Leute kommen und verändern meinen Kiez.“ Darum geht’s in dem Stück; der Kiez ist eine Online-Community und die Stadt ist das Internet.
Olia, du hast in der Vergangenheit mit Narrativen gespielt, aber dies ist dein erstes „echtes“ Theaterstück, ein Medium, das üblicherweise der „Präsenz“ bedarf. Ging es dir auch bewusst darum, Dokumentation zu verhindern?
OL: Das Stück wird nicht nur live gespielt, sondern gleichzeitig wird auch live auf der Bühne programmiert – also keine Chance für Fehler. Doch anstatt eine Dokumentation bewusst zu vermeiden, spiele ich eher mit dem Aspekt gegenwärtiger Online-Kultur, in der nur das zählt, was in jedem Moment jetzt gerade passiert. Es gibt auch eine weitere Ebene, eine Verbindung zwischen Zeit und Geschwindigkeit: Das Stück spielt im Jahr 1997, zum Höhepunkt der ersten Browserkriege und in einer Zeit sehr langsamer Internetverbindungen. Zu jener Zeit erfand ich Narrative für den Browser und fühlte mich ein bisschen wie eine Bühnenbildnerin, da auch hier Raum und Zeit meiner Darstellung einer reichhaltigeren Umgebung begrenzt waren. Für Bear With Me treffe ich ähnliche Entscheidungen, aber erst jetzt fühle ich mich „erwachsen“ genug, um den Schritt zum Theater zu wagen. Und nicht nur ich bin reifer geworden; das Internet ist mittlerweile ein sehr ausgereiftes Medium, visuell wie akustisch. Es hat seine Geschichte, die ich jetzt aufgreifen und in ein anderes Medium übertragen kann.
Der Untertitel des Stücks lautet „ein Stück für zwei Webmaster“. Olia, du hast schon früher über die Evolution des Begriffs der Nutzer_innen im Zeitalter der unsichtbaren Datenverarbeitung [Invisible Computing] geschrieben – aber was hat es mit dem Begriff „Webmaster“ auf sich?
OL: Meisterschaft kann eine Person beschreiben, die etwas perfektioniert hat; eine Person, die zaubern kann, von der du etwas lernen kannst. Anfang 1997 war ich Webmaster in einer Designfirma, aber die Position war hier eigentlich jener der Web- designer_in untergeordnet. Webmaster waren die Leute, die programmierten, um zu ermöglichen, was die Webdesigner_innen sich vorstellten. Doch jene Webmaster wurden dann zu Entwickler_innen. Das Netz „zu meistern“, um es mal so zu sagen, war also eine sehr wichtige Beschäftigung. Als Nicht- Muttersprachlerin denke ich auch über weitere Kon- struktionen nach, die den Begriff „Master“ enthalten, weil das Wort in meiner Vorstellung immer impliziert, dass du etwas „beherrschst“ – also „Herr“ über dein Medium bist.
KB: Ich liebe das Wort „Webmaster“, aber ich bin nicht sicher, wen ich heute so bezeichnen würde. Ein_e Meister_in braucht Disziplin und meines Erachtens nutzen die Leute das Internet auf eher undis- ziplinierte Weisen. Ich würde sagen, von den Leuten, die ich kenne, kommt Olia dieser Meisterschaft am nächsten. Das Lustige an Alan und seiner Haltung ist, dass er glaubt, tatsächlich ein Meister zu sein und dass die Leute ihren Meister_innen nicht ausreichend Anerkennung entgegenbringen. Das ist mit anderen Aspekten unserer Leben verwandt; alle empfinden auf irgendeine Weise, dass sie nicht genug Anerkennung für ihr Geleistetes erhalten – diese Vorstellung von „du weißt nicht, wie hart ich hierfür gearbeitet habe“. Aber wenn du dieses Stück siehst und zuhörst, wie Alan durch diesen gedanklichen Prozess geht, wird der Prozess menschlich und Alan von einem „Meister“ zu einem, der ist wie alle anderen auch. Und dann ist da noch die gewaltvolle Geschichte der Herr-Knecht-Beziehung – besonders im Kontext der Versklavung – und die Tatsache, dass kein_e wahre_r Meister_in sich selbst so bezeichnen würde.
OL: Es gibt heute leider immer weniger Menschen, die das Medium Web beherrschen. Das Stück spielt zu einem Zeitpunkt, zu dem Leute selbst ein Narrativ schrieben – es gab keine Schnittstelle, die eine Timeline oder die Geschichte deines Lebens aus deiner Kommunikation heraus für dich schuf.
Übersetzung aus dem Englischen von Jen Theodor.
Bear With Me wird als nächstes in The Kitchen in New York City aufgeführt —Schau dir hier den Trailer an.