Britcoms

Britcoms

Date: 
27.05.1997 16:00
Edition: 
1997
Format: 
Panel
Location: 
Podewil

Es mag ja sein, daß Fernsehen ein visu­ elles Medium ist, sein Vorläufer ist je­ doch das auditive Medium des Rund­ funks, und zwar in viel stärkerem Maße als das schnell an Einfluß gewinnende visuelle Medium des Films. Die ersten Fernsehstationen in der Welt wurden von den gleichen Gremien organisiert und betrieben wie die Rundfunkstatio­ nen, und so war es auch keine Überra­ schung, daß so manche Rundfunksen­ dung auf den Bildschirm übertragen wurde.
Die BBC begann 1936 mit der Aus­ strahlung eines öffentlichen Fernseh­ programms und produzierte in den drei Jahren bis zum Ausbruch des Krieges eine anspruchsvolle Vielfalt von ver­ schiedenen Sendungen, in denen aktu­ elle soziale Themen, klassische und zeitgenössische Kunst, Sport und Ereig­ nisse, die das Königshaus betrafen, be­ handelt wurden. TV-Serien wurden je­ doch nicht gesendet, Comedy-Sendun-gen gab es in Form von Alleinunterhal­ ter-Programmen oder aber kurzen
Music-Hall-Sketches. Im Rundfunk gab es eine solche Mixtur schon, aber eini­ ge frühe Sendungen, vor allem ITMA („Its That Man Again") behandelten ein wiederkehrendes Thema und brachten jede Woche die gleichen Charaktere. Obwohl sie nach wie vor als Variete- Show-Programme betrachtet wurden, zeigte ITMA eine ganze Reihe von We­ sensmerkmalen einer TV-Serie. Während des Krieges wurde der Rund­ funk zum wichtigsten Medium sowohl für Nachrichten- als auch für Propagan­ dasendungen. Zumindest ebenso wich­ tig war aber die Tatsache, daß er mit ei­ ner Reihe von ungeheuer populären, leichten Unterhaltungsprogrammen (von denen ITMA das erste war) die Be­ völkerung bei Stimmung hielt. Während des Krieges sendete das BBC Forces Network für die Truppen, und als die amerikanischen Soldaten nach Europa kamen, sendeten weitere Rundfunksen­ der amerikanische Programme, unter anderem auch einige Comedy-Serien. Viele dieser Serien-Programme waren sowohl bei den Briten als auch bei den amerikanischen Militärangehörigen sehr populär. Nach dem Krieg brachte der britische Rundfunk ein paar Comedy-Serien, die im großen und ganzen dem US-Modell folgten. Der größte Radio-Erfolg war jedoch die ur­ komische Goon Show, eine surreali­ stisch-avantgardistische Comedy-Serie, in der sich die Situationen nicht wie­ derholten, obwohl jede Woche diesel­ ben Charaktere wiederkehrten. Die Se­ rie „Flancock Half Hour", ein von Gal­ ton und Simpson speziell für das Talent des großen Komikers Tony Flancock ge­ schriebenes Stück, kam diesem Genre noch näher. Die Serien brachten wie­ derkehrende Charaktere und schilder­ ten wiederkehrende Lebenssituationen, und die Kombination des großartigen Buches mit Hancocks phänomenalem Sinn für richtiges Timing machten die Serie zu einem großen Hit.
Das BBC-Fernsehen experimentierte mit dieser Form der Serien-Unterhaltung während der vierziger und fünfziger Jahre, jedoch nur mit geringem Erfolg. Als 1955 der kommerzielle TV-Sender ITV seine Arbeit aufnahm, enthielt sein Programm zahlreiche aus Amerika im­ portierte Sendungen, unter anderem den großen Serien-Hit „I Love Lucy" mit Lucille Ball in der Hauptrolle. Der Erfolg dieser Serien spornte die briti­ schen Produzenten an, eine eigene Er­ folgsstory zu kreieren, was ihnen schließlich gelang, als „Hancocks's Half Hour" vom Fernsehen übernommen wurde. Hancock wiederholte im Fernse­hen seinen Radioerfolg und bewies ein und für alle Mal, daß diese Comedy- Form auch ein britisches Publikum an­ spricht.
„Hancock's Half Hour" besetzte von 1956 bis 1961 als TV-Top-Serie den Spitzenplatz, und es ist durchaus folge­ richtig, daß der danach kommende rie­ sige Serien-Hit „Steptoe and Son" ebenfalls von Hancock's Textern Galton und Simpson geschrieben wurde.
In den 60er Jahren kam diese Form mit zahlreichen Hits wie „The Likely Lads", „The Rag Trade" und dem kontroversen „Till Death Us Do Part" zur vollen Ent­
faltung. Die 70er Jahre brachten neue Erfolge: „Man About The House", „Fa- wlty Towers", „Porridge", „Rising Damp" usw.
Dieses so dauerhafte Comedy-Serien- Genre zeigt keinerlei Anzeichen von Schwäche. Es erholte sich von einer un­ produktiven Zeit Ende der 80er Jahre und drang in den 90er Jahren erneut an die Spitze mit Serien wie „Absolutely Fabulous", „Man Behaving Badly" und „Father Ted".

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