Fabrizio Plessi: The Low Definition

Fabrizio Plessi: The Low Definition

Date: 
14.02.1992 12:00
Edition: 
1992
Format: 
Talk

“Noch einmal die Freiheit haben, die lapidare und statische Ordnung der Dinge zu verändern und umzukehren, die Lust, den eigentlichen Sinns eines Werks umzustürzen und Möglichkeiten zu erforschen, die jenseits der bekannten Territorien liegen - meines Erachtens die Strategie der Kunst seit jeher. Aber ein so einfach zu bestimmendes Skript hat es noch nie gegeben. In jedem Fall sind die Umstände nur dem eine Last, der sie sich auflädt, auch wenn wir mit beinahe natürlichen Feindseligkeiten auskommen müssen. Die Technik hat zudem den nicht unbeträchtlichen Vorteil, die vorgegebenen Grenzen der Logik von innen heraus zu überwinden. Welche Klinge schneidet besser: das elektronische Bild im Schrank oder das ihm gegenübergesetzte scharfkantige Glas? (“Armadio fragile” - Red.) Und wem nützt es denn, seine kalten und kalkulierten Formen in den Regalen darunter zu katalogisieren? Wie schwierig ist es doch, die greifbare Materialität von der evozierten virtuellen Gegenständlichkeit zu trennen! Wann werden in die Kodexe der Kunstgeschichte Betrachtungen aufgenommen, die sich mit der Rolle und der Anwendung technischer Mittel befassen? Wird das Knäuel der Zeichen jemals zu einem sozialen Diskurs jenseits der vorschnellen Euphorien entwirrt werden? Bis dahin werden die Schränke zu Räumen und die Räume enthalten die Schränke ... das ist die große chinesische Schachtel des Lebens. Hier wird kein Monitor zu einem Haustier gezähmt. Schneidend hart präsentieren sie dem technologischen Optimismus das Bewußtsein und das Unbehagen der Spaltung, die Verwirrung eines noch andauernden Prozesses, einer nicht gänzlich aufgegangenen Rechnung. Hinter dem Eisengitter, wie in einem Zoo, bewahrt die Technik die barbarische Kraft einer Wildkatze. Auf dieser Seite des Gitters fühlen wir uns doch
sicherer und können uns vielleicht auch ein wenig mehr hervorwagen. Aber Eile tut not, die Zeit hält ihre Fallstricke bereit.” Fabrizio Plessi
Der Text ist dem umfangreichen Katalog zu Plessis Ausstellung in Reggio Emilia, 1990, entnommen, in der er mit einer langen Reihe von Schrankvariationen eine Bilanz seines bisherigen Installationswerkes präsentierte. Summe mit Verweisen auf frühere Arbeiten einerseits, eine offene Reihe mit möglichen Ergänzungen andererseits. Anhand von Dokumentationen wird Plessi sein Werk vorstellen und zu seinem Konzept der “Low Definition” oder der Humanisierung der Technologie Stellung nehmen.

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