Künstler über ihr Werk: Es geht nur ums Singen. Die Unabhängigkeit, das Ziel der „Singenden Revolution“, hat uns im Post-Kolonialismus eine widersprüchliche Folge der politischen Freiheit gebracht. Der Kapitalismus, der den Sozialismus ersetzt hat, beinhaltet Privatisierung und dadurch auch Unterdrückung. Er bleibt weiterhin stoisch bestehen, nach freiem Wille der ängstlichen Bürger, die unsere westlichen Lehrer nicht enttäuschen wollen. Wie kann es sein, dass die Lektionen unseres Großvaters Marx so leicht in Vergessenheit geraten sind? Vielleicht rufen Marxismus und Leninismus in den Köpfen der Litauer auch einfach negative Assoziationen hervor – aus bekannten Gründen. Der Kapitalismus wurde positiv aufgenommen, denn er brachte den verführerischen und alltäglichen Wohlstand des Marktes: Kaugummi, Bananen, Jeans, Sex, Geld und ABBA. Obwohl sie den Songtext, oft Herzstück des Stückes, nicht verstehen, haben sich die Einwohner des großen Staates von den Rhythmen und Melodien der neuen Utopie durchdringen lassen. Sie erkannten diese neue Utopie des Marktes als einen in ihrer Natur liegenden Fetisch an. Die Kraft des Karaoke (DIY) ermöglichte es Menschen, etwas wieder abzuspielen, das sich vorher ereignet hatte – sie waren sich ihrer Unterordnung nicht mehr bewusst, sie vergaßen die Lektionen des dialektischen und historischen Materialismus. Die Faszination für Estrada entstammt dem ABBA-Song Money, Money, Money, der in englischer Sprache von freiwilligen Mitarbeitern der LTB (The Lithuanian Savings Bank) performed wird. LTB ist die letzte Bank in staatlichem Besitz, die von ausländischen Investoren privatisiert wurde. Hier soll der Scheck veralteter Erinnerungen eingelöst werden. Sie dient als Ausgangs- und gleichzeitig als Umkehrpunkt.