QUALITÄTSFERNSEHEN: „Straßenfeger" oder„Quotenkiller"?
QUALITÄTSFERNSEHEN: „Straßenfeger" oder„Quotenkiller"?
Die Qualitätsanforderungen an die Telemedien waren und sind einem steti gen Wandel unterworfen.Zum einen hat sich das frühere Frontalfernsehen mit starrem Programmschema zum Neben- bei-Medium mit einem audience flow rund um die Uhr entwickelt.Zum ande ren vervielfachte sich das Angebot bun desweiter TV-Sender seit dem Beginn des deutschen Nachkriegsfernsehens.
In den 60er Jahren wurde das ZDF als Alternative zur ARD gegründet und die zunächst regionalen Dritten Programme erschienen auf dem Bildschirm. Medien politische Entscheidungen machten neue Übertragungswege über Kabel und Satellit möglich. Dadurch konnten sich Mitte der 80er Jahre auch private An bieter erfolgreich durchsetzen und das öffentlich-rechtliche Monopol brechen: Zwischen dem Auftrag zur Grundversor gung und kommerziellen Interessen ent standen ein duales Rundfunksystem und eine Wachstumsindustrie. Fleute zwingt der harte Wettbewerb die führenden Sender, nicht nur große Medienstars an sich zu binden,sondern auch ständig auf neue Trends zu reagieren und gleichzei tig ein eigenständiges und wiederer kennbares Profil zu präsentieren.Versu chen die etablierten Branchenführer tra ditionell mit einem breit gefächerten Vollprogramm ihre Positionen zu be haupten, so setzen in Zeiten des Über gangs vom analogen zum digitalen Fernsehen Immer mehr Kanäle aus schließlich auf einzelne Sparten wie Unterhaltung oder Information, Musik oder Sport und bedienen nur spezielle Zielgruppen. Diese allmähliche Verlagerung vom Kultur- zum Wirtschaftsfaktor prägt auch das Programm. Im Interesse der werbetrei benden Unternehmen müssen interna tionale Standards erreicht und gehalten werden, um beständig hohe Einschalt quoten und Reichweiten zu erzielen. Insgesamt bestimmen folgende Kriterien die Qualität, Akzeptanz und den ökono mischen Erfolg der Produktionen, die von den Sendern in immer stärkerem Maße nach außen vergeben werden:
• aktuelle Stoffe und kreative Leistungen der Autoren und der Regie,
• die Auswahl der Schauspieler und Entertainer,
• die handwerkliche Professionalität aller Gewerke,
• die technische Perfektion.
Die Erfordernisse des Marktes haben die einstigen Unterschiede zwischen den gebühren- und werbefinanzierten Mit streitern stark nivelliert und unter der Devlse„Mehr vom Gleichen" zu einer ln- flationierung populärer Genres geführt. Neben trivialen Comedy-Formaten, aktionsreichen TV-Movies und voyeuri- stischen Talkrunden dominiert das Serielle wie die daily soap. Da bleiben wenig Spielräume für künstlerische Ex perimente, provokative Dokumentatio nen oder klassische Themenschwer punkte wie Literaturverfilmungen, enga gierte Sozialkritik oder politische Ver gangenheitsbewältigung.
Im Gesamtangebot lassen sich jedoch nach wie vor Divergenzen erkennen, da die Öffentlich-Rechtlichen verfassungs gemäß noch auf mehr Pluralismus, Regionalismus, Kulturvermittlung, ihren Bildungsauftrag und die Berücksichti gung von Minderheiten setzen (müs sen). Aber auch die Privaten bemühen sich Immer wieder, mit innovativen und anspruchsvollen Produktionen ihre Kritiker zu widerlegen. So ist der These einer allgemeinen Uniformität der Fernsehlandschaft zu widersprechen: Der Diversifikation der Sender steht wei terhin ein ausdifferenziertes Programm angebot gegenüber, das stets stilprägen de Alternativen zum beherrschenden Mainstream der banalen Industrieware hervorbringen kann.
Wir wollen zunächst diese Programm entwicklungen konkret an der Geschich te der Dritten ARD-Programmschiene und 3sat demonstrieren sowie die Ansprüche an Qualitätsfernsehen beson derer Unterhaltung, aufwendiger Doku mentarfilme und Femsehspiele privater Provenienz hinterfragen (Premiere und SAT.U.Im Anschluß Ist dann ein promi nent besetztes Podium aufgerufen, über das Selbstverständnis der Macher zu dis kutieren, brauchbare Beurteilungskrite rien zu entwickeln sowie über Mittel und Wege der Qualitätsförderung nachzu denken. 1. Alle guten Dinge sind drei oder anders fernsehen:
Die Dritten Programme und 3sat als „Qualitätsfernsehen" der Öffentlich- Rechtlichen?
Zum einen präsentieren wir Ausschnitte aus der„Geschichte des Dritten Fernseh programms" von Heinrich Breioer (NDR 1986) als interessantes Statement zur Entwicklung des öffentlich-rechtlichen „Sendungsbewußtseins".
In drei Teilen und 240 Minuten hatte der Grimme-Preisträgerdie Ursprünge und Veränderungen der Dritten Programm schiene dargestellt: Eine Reise ins Archiv zu den Machern und Verantwortlichen. Der Bogen spannt sich von der experi mentellen Radikalität über die bleiben den Errungenschaften bis zu den Zu kunftsaussichten dieser einmaligen wie in Frage gestellten Form der Medien arbeit.
Gesprächspartner: Peter von Rüden (NDR)
Zum anderen steht uns Walter Konrad als Direktor von 3sat Rede und Antwort: In welcherTradition sieht sich das ge meinschaftliche Satelllten-TV von ZDF, ORF, SR DRS und ARD? Dient dieses Voll programm nur als kulturelles Feigenblatt für das nichtkommerzielle Fernsehen oder gelingt es, das positive Erbe der Dritten Bildungsprogramme anzutreten, neue Formen auszuprobieren sowie elaborierten Filmen und den klassischen Künsten unabhängig vom Quotenerfolg kontinuierliche Sendeplätze zu bieten? Gezeigt werden neben aktuellen Image- Trailern auch ein Beispiel für den Quali- tätsanspuch von 3sat in einer Festival premiere im Anschluß an diese Veran staltung: der Dokumentarfilm„Mama General" (Regie: Peter Heller,Sylvie Banuls, D 1997,98 Min.). 2. Premium TV oder Massen medium: Wieviel Spielraum bleibt den Privaten zwischen Qualität und Quote?
Zu Beginn stellt Premiere als der erste deutsche Veranstalter im Pay-TV drei Beispiele für innovative und erfolgreiche Formate vor:
Zunächst einige kultige Parodien aus Oliver„Kalkofes Mattscheibe", die bereits seit vier Jahren unverschlüsselt ausge strahlt werden. Betreibt der„Medien- Müllmann der Nation" (Stern) mit seinen Sketchen intelligente Unterhaltung oder postmoderne Fernsehkritik?
Danach Ausschnitte aus Werner Herzogs Dokumentation„Lektionen in Finsternis", die das Engagement für nichtfiktionale Genres bei Premiere beweist. Der um strittene Regisseur legte mit Paul Berriff (Kamera) nach eigenen Worten„eine sti lisierte Vision eines fremden Planten" vor - ein apokalyptischer„Heimatfilm", der die brennenden Ölfelder nach dem Krieg In Kuwait als Sinnbild für ökologische Katastrophen in grandiosen Bildern fest hält (Koproduktion mit Canal Plus 1992, Super-16,50 Min.). Zuletzt beispielhafte Szenen aus dem ungewöhnlichen Fernsehspiel„Das Urteil", das für eine Reihe heutiger Koproduk tion mit anderen Sendern steht wie hier dem NDR (Autor: Paul Hengge, Regie: Oliver Hirschbiegel, Darsteller: u.a. Klaus Löwitsch und Matthias Habich, D 1997, 94 Min.): Ein packendesTV-Drama über einen Mordfall,das durch konzentrierte Dialoge besticht, wobei die Schauspieler an die Grenzen ihrer psychischen Belast barkeit gingen.
Gesprächspartner:Wilka Wulff (Premiere Koproduktionen, Fiction & Entertainment) und Christian Kubo (Kultur). Diese neue Form der Zusammenarbeit von Premiere mit privaten oder öffent lich-rechtlichen Programmanbietern (neben RTL, VOX und HBO der WDR bzw. das ZDF) erlaubt dank größerer Budgets aufwendige Kinostandards und schafft kreative Synergieeffekte. Auf diesem zunehmend globalisierten Markt agiert im Bereich Free-TV auch SAT.1,das schon in der Vergangenheit m it den„German Classics" (Bernd Eichinger) für attraktive Programmware sorgte.
Zur Diskussion gestellt werden kurze Kostproben aktueller Projekte, an denen sich die Spannbreite und Investitionen dieser (inter)nationalen Kooperationen ablesen lassen:Zunächst der Film„Visio- ner",der mit amerikanischen Partnern gerade in Berlin entstanden ist (Regie: Elodie Keene, Buch: John Considine).
Darüber hinaus die Literaturverfilmung „Der Graf von Monte Christo" nach der historischen Romanvorlage von Alexandre Dumas - eine vierteilige Pro duktion von GMT für Mediaset,TF1 und SAT.1 (Regle:Jose Dayan). Ferner sollen erste Bilder aus der Reihe „Helicops - Einsatz über Berlin" einen Eindruck von der nächsten Generation der Serienproduktion geben; der Pilot und 13 Folgen ä 47 Minuten entstehen bis Juni '98 in Berlin und Umgebung (Regie: Christoph Schrewe u.a.). Die Szenen vom Softwarehaus„Polyphon" werden jedoch nicht mehr nur an realen Drehorten, sondern vielfach synthetisch im Computer generiert.
Gesprächspartner: Dieter Zurstraßen (SAT.1 Koproduktionen) und Walter Grothkopp (Eigenproduktionen)