Werkschau: Daniel Reeves

Werkschau: Daniel Reeves

Date: 
28.05.1997 16:00
Edition: 
1997
Format: 
Screening
Location: 
Podewil

Obsessive Becoming: Die Uideopoesie des Daniel Reeues Daniel M. Reeves, Künstler aus Schott­ land, hat den unvermeidlichen Zusam­ menstoß zwischen unerschütterlicher Unschuld und einem kränkelnden Uni­ versum erkundet. Reeves, der seit Mitte der Siebziger mit dem Medium Video arbeitet, hat seinen Weg durch die Welt gefunden, der erlösend, atemberau­ bend und mutig ist. Seine autobiogra­ phische Videoarbeit OBSESSIVE BECOMING ist eine versöhnliche Rück­ schau auf die prägenden Erinnerungen, die tief im Inneren eines gequälten Kin­ des begraben sind. Enthüllungen über Kindesmißbrauch, geisterhafte Eltern und verschollene Geschwister tauchen wie verzerrte Spiegelungen an der Was­ seroberfläche auf. Was zunächst die handwerklich hervorragende Aufarbei­tung einer gestörten familiären Vergan­ genheit zu sein scheint, entpuppt sich als viel mehr: ein Blick in den Schatten eines düsteren Vermächtnisses, eine Erbschaft von historischer Dimension. „Die Geheimnisse in unserer Familie waren immens. Die Geheimnisse dieser Welt sind immens."
Die Familiengeheimnisse in OBSESSIVE BECOMING sind real genug. Ein Akt von Gewalt gegen ein Kind, zufällig festgehalten in einem „Flome movie" aus den 50ern, taucht wie ein brutales Gespenst immer wieder auf und ver­ leiht den Worten des Künstlers eine un­ heimliche Glaubwürdigkeit. Die Konfrontation mit den Dämonen seiner Kindheit hat einen heilsamen Effekt. Die Zuschauer spüren die profunde Be­ freiung von den erschreckenden Dingen im Leben von Reeves. Ein früheres Beispiel des dichterischen Exzorzismus, SMOTHERING DREAMS, 1981, diente ihm zur Befreiung vom Horror des Vietnam-Krieges. Verletzt im Laufe derTet-Offensive, verbrachte
Reeves viele Jahre mit dem Versuch, die nachhaltigen emotionalen Wunden zu heilen. Schweigen, lernte er, war der größte Feind. So werden persönliche Offenbarungen
und Verwirrungen deutlich verbalisiert. „Ich ziehe es vor zu versuchen, sie beim Namen zu nennen." Aber Reeves gibt sich nicht mit seiner persönlichen Erlösung zufrieden. Wie schon in seinen früheren Werken, z. B. im lyrischen Essay GANAPATI/A SPIRIT IN THE BUSH, 1986, das das Elend der Elefanten als universelle Tragödie dar­ stellt, hat Reeves stets in der menschli­ chen Unvollkommenheit nach den Ur­ sachen für das allgemeine Versagen un­ keit zu überwinden. serer gemeinsamen Geschichte ge­
sucht. Die Autobiographie als eine reiche und herausfordernde Quelle künstlerischer
Inspiration ist keineswegs Reeves Mo­
nopol. Was seine Arbeit jedoch so fes­
selnd macht, ist seine meisterhafte Or­
chestrierung der vielen Elemente in die­sem Medium: Bild, Ton und Sprache. Als Poet ist Reeves äußerst sensibel in Hinblick auf Rhythmen und Farben. Sei­ ne gekonnte Choreographie von Fami­ lienfilmaufnahmen, Interviews, Photo­ graphien, Reinszenierungen und Wie­ dergabe von Dokumentarfilmaufnah­ men, setzt eine komplex texturierte Montage in Gang, die von der rhapso­ diehaften Erzählweise und elegischen Musikstücken ergänzt wird.
In einer erstaunlichen Sequenz werden Porträts von Reeves Ahnen von der ei­ nen zur nächsten Generation ge- morpht, die die Durchgängigkeit einer Blutlinie und die gemeinsame Ge­ schichte verdeutlichen. Neben der meisterhaften Kolorierung und anderen maltechnischen Elementen, dient der Effekt des Morphings weniger der gra­ phischen Akzentuierung als der visuel­ len Erkenntnis unserer nahtlosen Ver­ bindung zur Vergangenheit.
In OBSESSIVE BECOMING stellt Reeves. Thousands Watch, Smothering Dreams, Arches, Ganapati / A Spirit in the Bush, Sabda, Obsessive Becoming, One with Everything, Perdu

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