Sonolevitation
Sonolevitation
"Die Erde ist die Wiege der Menschheit, doch es ist unmöglich sein ganzes Leben in einer Wiege zu verbringen." (Constantin Eduardovich Tsiolkovsky)
Die Reduktion der Schwerkraft mag emanzipatorische Assoziationen hervorrufen, doch sind solche Bedingungen in unserem Universum vorherrschend und in Wirklichkeit schwerwiegende Hindernisse für eine Reihe von wissenschaftlichen Versuchen die jenseits der irdischen Atmosphäre durchgeführt werden. Die einzige Möglichkeit, um Gase, Flüssigkeiten und Staubpartikel, die nicht anderweitig verpackt sind, in einem Raumschiff zu transportieren und zu positionieren ist ein Phänomen das als akustisches Schweben bezeichnet wird. Unten auf der Erde erzeugt dasselbe Phänomen den Eindruck einer lokalen Aufhebung der Gravitation und ermöglicht das Schweben von Flüssigkeiten und Festkörpern in der Luft.
Eine stehende Welle mit einer Frequenz von 15kHz wird zwischen einem Schallgeber und einer reflektierenden Fläche erzeugt: zwei Wellen mit derselben Frequenz und Amplitude breiten sich mit einer Phasenverschiebung von 180 Grad gegenläufig aus. An den Punkten an denen sich die beiden Wellen überlagern wird der Schalldruck ausgelöscht und es kommt zur Ausbildung von druckarmen Knotenpunkten in Intervallen der halben Wellenlänge -- stehende Wellen bilden sich nur aus, wenn sie ihr Medium in eine ganzzahlige Anzahl von halben Wellenlängen unterteilen können. Eine stehende Welle mit hoher Frequenz und großer Amplitude bewegt sich durch die Luft und erzeugt eng fokussierte Druckpunkte die stark genug sind, um Materie in den druckarmen Knotenpunkten einzufangen.
In dieser Version von 'Sonolevitation' werden Blättchen aus Gold akustisch in der Schwebe gehalten und in unterschiedlichen Richtungen mit wechselnder Geschwindigkeit umhergewirbelt. Ihr Drall zeigt das Rotationsverhalten akustischer Schwingungen und auch die Dynamik reibungsloser Bewegung (unbeeinträchtigt von Gravitationseffekten) an. Ein Nahfeldmikrofon zeichnet die Modulation der hebenden stehenden Welle durch die Goldblättchen auf: Die kleinste Turbulenz oder Veränderung in der Drehung hat hörbare Konsequenzen. Die Blättchen interagieren außerdem miteinander und verändern so gegenseitig ihre Bewegungsmuster.
Weil optische Strahlung in ähnlicher Weise Druck auf Materie in der Form von Schwingungsknoten ausübt können präzise Analogien von Frequenz, Wellenlänge und Partikelgrösse zwischen akustischen und elektromagnetischen Schwebesystem gezogen werden. Aus diesem Grund ist akustische 'Kraftfeldformung' ein ideales Versuchsgelände für kolossale, langwellige elektromagnetische Schwebesysteme, die eine grundlegende Notwendigkeit für automatisierte architektonische Konstruktionen in der Mikrogravitation sein werden. Akustisch schwebende Materialien können auch wirksam durch Klangfelder geformt werden. So können frei schwebende Tröpfchen von Flüssigkeit durch spezifische Veränderungen in der Dichte zu hoch sensiblen optischen Resonatoren werden, die Lasern können.
Die Erforschung des 'Raumes' ist nicht nur aus wissenschaftlichen und überlebenstechnischen Gründen, sondern auch für rein ästhetische Ziele zwingend. Sonolevitation ist das erste Projekt in einer Reihe zur Vorbereitung auf Umgebungen in der geringste Schwerkraft und nahezu Vakuum herrschen. Die Fähigkeit Kunstwerke in großen Vakuen (in viel größeren als sie jemals auf der Erde erzeugt werden könnten) zu schaffen, ermöglicht es, vollkommen unvorhergesehene optische und akustische Prozesse auszulösen.
(Evelina Domnitch und Dmitry Gelfand. Übersetzung von Stefan Riekeles)